Corpus Christi aus Spanien
Der Gekreuzigte mit angestückten Armen wurde um 1250 in Spanien, vermutlich in Katalanien, gefertigt und hat die Maße 109,5 x 98 cm. Im schwachem S-Schwung erstarrt hängt Jesus vom Kreuz; sein Kopf ist zur Seite geneigt und die Augen geschlossen. Der ausgemergelte Leib offenbart den Rippenkorb unter einer dünnen Hautschicht sowie den dramatischen, V-förmig eingekerbten Bauchraum. Das tief liegende Perizonium ist an der Seite verknotet und hängt bis zu den Knien herab. Die Füße sind im Dreinageltypus überkreuzt, wobei der stilisiert angewinkelte rechte Fuß beinahe einen Moment der Todesstarre ausdrückt, der die vorangegangenen Torturen Jesu unterstreicht.
Derartige Corpus Christi Typen waren im mittelalterlichen Spanien verbreitet.
Während bis zum Ende des 12. Jahrhunderts majestätisch aufgerichtete, triumphierende Kreuzigungsdarstellungen populär waren, entwickelte sich nach 1200 eine neue Darstellungskonvention des resignierenden, introspektiv-dramatischen Christus, dessen Menschlichkeit und Leid betont wurden. Die Haltung des geneigten Kopfes, die nach oben abgewinkelten Arme, der V-förmige Bauch mit stark durchscheinenden Rippen darüber, der hervorgehobene Beckenbereich, das lange Lendentuch mit markantem Knoten an der Hüfte, sowie die stilisierten übereinander gekreuzten Füße sind eindeutige Merkmale spanischer Kreuzigungsdarstellungen der Mitte des 13. Jahrhunderts aus Katalanien. Besonders das letztere Merkmal der übereinander liegenden Füße, wobei der rechte Fuß in unnatürlich-starrer Haltung über den linken abgewinkelt ist, scheint ein eindrückliches Charakteristikum dieses Typus zu sein. Das nächstverwandte Vergleichsbeispiel ist der katalanische Gekreuzigte aus der Kirche Santa Maria dels Turers in Banyoles im Nordosten Spaniens (Art Institute Chicago, 1926.120). Dieser Christus wurde zwischen Chor und Hauptschiff aufgehängt, dort wo sich die Gemeinde aufhielt; er war somit ein Fokuspunkt für die Gläubigen, die Zeugen dieses neutestamentlichen Ereignisses wurden.