HERMANN NITSCH


Hermann Nitsch
Wien 1938 – 2022 Mistelbach

"Schüttbild"
2002
Acryl / Stoff / Holz auf Jutte
190 x 280 cm

Rückseitig:
Signiert & datiert 2002

Nach einem diplomierten Abschluss an der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt in Wien übernahm Nitsch 1957 eine Stelle als Gebrauchsgrafiker am Technischen Museum. Einige Jahre später entstanden die ersten Malaktionen und auch die Idee des Orgien-Mysterien-Theaters, das ihn von da ab unablässig beschäftigt und in dem sich alle seine Bestrebungen sammelten. Seine in Wien in der Öffentlichkeit abgehaltene Aktionsarbeit führte in den frühen sechziger Jahren zu ständigen Konfrontationen mit den Behörden und mehrwöchigen Gefängnisaufenthalten, die den Künstler 1968 veranlassten, nach Deutschland zu übersiedeln.

Nach großen Erfolgen des Orgien-Mysterien-Theaters Ende der sechziger Jahre in den USA und Deutschland führte Nitsch während der siebziger Jahre in vielen europäischen und nordamerikanischen Städten Aktionen durch. 1971 gelang ihm der Ankauf des niederösterreichischen Schlosses Prinzendorf aus dem Besitz der Kirche, wo Nitsch im Zuge größer angelegter Aktionen auch seine Vorstellungen von der Musik zu seinem Theater verwirklichte. Bei den Aktionen wurden Lärmorchester, Schreichöre und elektronisch verstärkte Instrumente eingesetzt. Nitsch deutete das Leben als Passion, den Malprozess als verdichtetes Leben und damit als Inbegriff der Passion.

Der Künstler selbst blieb durch seine an zentraler Stelle im Gemälde eingefügten Malhemden, die er während der Arbeit trug, anwesend und animiert den Betrachter, sich mit dem Malvorgang zu identifizieren und mit ihm ins Bild einzutreten. Nach Gastprofessuren an der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste – Städelschule in Frankfurt am Main und der Hochschule für bildende Künste Hamburg unterrichtete Nitsch seit 1989 bis zu seiner Emeritierung an der Städelschule eine Klasse für Interdisziplinäre Kunst.Aus dem gelben Auferstehungszyklus II

„Nachdem ich im Sommer 2000 in Prinzendorf den ersten Auferstehungszyklus gemalt und es geschafft hatte, blumenfrische Farben in die Substanz und das Fleisch der Farbe einzuarbeiten, war für mich klar, dass ich mich dieses Jahr radikal mit der Farbe gelb auseinandersetzen würde, was dabei herauskam: Auferstehungszyklus II.

Die eidottergelbe, fleischschleimige, spermaartige, üppige, hitzeschwangere Substanz der Farbe soll sich nun in höchstem Maß und ein für allemal zu einem leuchtenden Maisgelb sublimieren und das Verherrlichen des sommerreifen Getreides steigert sich zum blendenden Licht der Sonne, in das man nicht hineinzublicken vermag. Jetzt geht es nur noch um Licht, um weißes, dampfendes Licht, dem Auge nicht fassbar.“

Im Jahr 2002, während seiner 45. Malaktion, arbeitete Hermann Nitsch ausschließlich an Gemälden, in denen Gelb dominiert. Er bedeckte die Jute-Leinwand mit verschiedenen Nuancen von Orange-, Braun- oder Grüntönen sowie mit Spuren von Weiß.

Bei den meisten Werken dieses Zyklus ist zu erkennen, dass Nitsch sie zunächst mit rotbrauner Farbe übergoss und dann das gegossene Muster mit gelber Farbe nachbearbeitete, sodass am unteren Rand nur noch dunkle Farbspuren sichtbar blieben und das Bild die Schichtstruktur enthüllt. Es scheint, als hätte das Gelb der Auferstehung über das getrocknete Blut des Leidens gesiegt.

Einige wenige Arbeiten sind durchgängig gelb und strahlen in der Farbe der Sonne und des Lichts.