Die Heilige Elisabeth von Thüringen (1207–1231) gehört zu den bekanntesten Heiligen des Mittelalters. Als Landgräfin von Thüringen war sie für ihre außergewöhnliche Mildtätigkeit bekannt und widmete ihr kurzes Leben der Fürsorge für Arme und Kranke. Nach dem frühen Tod ihres Mannes, Landgraf Ludwig IV., zog sie sich aus dem höfischen Leben zurück und gründete ein Hospital in Marburg, wo sie selbst als Krankenpflegerin wirkte. Aufgrund ihrer selbstlosen Nächstenliebe wurde sie 1235 heiliggesprochen. Sie gilt als Schutzpatronin der Armen, Kranken und sozialen Hilfswerke.
Das um 1500 im Gebiet des Oberrheins entstandene Tafelgemälde zeigt die Heilige Elisabeth von Thüringen in Öl auf punziertem Goldgrund. Der Meistermaler platzierte sie auf einem Sockel; der Boden ist in einem weiß-roten Karomuster gefliest, was einen realistisch anmutenden Tiefeneindruck erzeugt. Der Hintergrund des Gemäldes ist mit feinem Rankenwerk punziert, eine Technik, die der Fläche Struktur und eine luxuriöse Anmutung verleiht. Auch der Nimbus der Heiligen ist in den Goldgrund eingearbeitet, wodurch ihre Heiligkeit betont wird. Die detaillierte Punzierung reflektiert das Licht und verstärkt die sakrale Aura der Darstellung zusätzlich.
Heilige Elisabeth im Fokus
Elisabeth ist in ein langes graues Kleid gekleidet, das ihre Demut und Bescheidenheit unterstreicht. Darüber trägt sie einen leuchtend roten Umhang mit einer grünen Innenseite, dessen Farbkombination eine harmonische Kontrastwirkung erzielt und häufig bei Darstellung der Elisabeth gewählt wurde. Ihr weißes Kopftuch ist eng um den Kopf geschlungen und fällt sanft über ihren Hals, ein ebenso charakteristisches Element in den Darstellungen von Elisabeth, das auf ihre Verbundenheit mit der franziskanischen Armutsidee hinweisen könnte. Ihre Füße stecken in schwarzen, spitz zulaufenden Schuhen, die der spätgotischen Mode entsprechen.
In ihren Händen hält sie eine Zinnkanne und einen dazugehörigen Teller mit einem Brathuhn. Diese Gabe, die sie dem Betrachter entgegenhält, verweist auf ihre karitative Tätigkeit, insbesondere auf die Versorgung der Armen. Ihre Körperhaltung im Dreiviertelprofil und der konzentrierte Blick auf die dargebrachte Speise verleihen der Szene eine ruhige, fast meditative Wirkung.
Anbringungsort & Verortung
Das Gemälde war vermutlich Teil eines Altarflügels, möglicherweise eines größeren Retabels, das mehreren Heiligen gewidmet war. Solche Tafeln wurden oft paarweise oder in Reihen angeordnet, um eine liturgische und narrative Struktur zu schaffen. Vergleichbar ist die Darstellung mit dem Gemälde der Elisabeth des rechten Seitenflügels des Sebastianaltars von Hans Holbein dem Älteren um 1516, heute in der Alten Pinakothek in München. Eine weitere ähnliche Darstellung findet sich am linken Standflügel des Altarretabels der St. Moritzkirche in Mittenwalde um 1514, geschaffen von einem unbekannten Meister der Cranach-Werkstatt.
Stilistisch steht das Gemälde in der oberrheinischen Maltradition um 1500, die durch eine feine Zeichnung, leuchtende Farbigkeit und eine sorgfältige Detailgestaltung geprägt ist. Die Verbindung aus punziertem Goldgrund und illusionistischer Raumdarstellung zeigt die Übergangsphase zwischen der Spätgotik und der frühen Renaissance. Durch die präzise Wiedergabe von Stoffen, Metallen und Oberflächen wird die materielle Präsenz der Figur eindrucksvoll gesteigert. Der hier zuständige Meistermaler war in einem der wichtigsten Kunstzentren Europas dieser Zeit, dem Oberrhein, tätig. Sein Werk ist in Komposition und Figurenauffassung eng mit den Tafelbildern des bedeutenden oberrheinischen Meisters der Bendaschen Madonna verwandt (vgl. Altarflügel mit der Hl. Dorothea und Hl. Barbara, um 1490/1500, Fürstenkapelle, Zisterzienserinnen-Abtei Lichtenthal, Baden-Baden).
Das Tafelgemälde bietet somit nicht nur ein kunsthistorisch bemerkenswertes Beispiel für die spätgotische Frömmigkeitskultur, sondern auch einen tiefen Einblick in die Verehrung und bildliche Repräsentation der Heiligen Elisabeth von Thüringen.
Literatur
Dietrich von Apolda, Leben und Legende der heiligen Elisabeth, Frankfurt am Main 1997.
Barbara Stühlmeyer, Elisabeth von Thüringen. Spiritualität – Geschichte – Wirkung, Kevelaer 2018.
VERGLEICHE
https://artsandculture.google.com/asset/wd/DAGK5avvXdwIWQ
https://lucascranach.org/de/DE_MKM_NONE-MKM001C
Weiterer Vergleich der Kleidung:




