HEILIGE BARBARA


Schwäbisch
Um 1510/15

Lindenholz geschnitzt
Originale Polychromie & Vergoldung
Höhe 54 cm

Provenienz:
Sammlung Borghese, Paris

Die heilige Barbara gilt als eine der bekanntesten und populärsten Heiligen. Barbara von Nikomedien lebte wohl im dritten Jahrhundert nach Christus. Zahlreiche Legenden, vermutlich aus dem 7. Jahrhundert stammend, ranken sich um ihr Leben: Nach einer Überlieferung wurde sie beispielsweise von ihrem heidnischen Vater in einen Turm eingesperrt, weil dieser sie am Heiraten hindern wollte. Hier ließ sich Barbara jedoch taufen und offenbarte sich als Christin. Ihr Vater lieferte sie schließlich an den römischen Statthalter aus. Keine Marterung konnte ihr etwas anhaben, bis der eigene Vater sie enthauptete, wonach er von einem Blitzschlag getroffen wurde und verbrannte. Als eine der vierzehn Nothelfer wird sie zum Gebet um Sündenvergebung herbeigerufen. Im deutschen Raum gilt Barbara als eine der drei Madl’n, zusammen mit Katharina und Margarete. Sie ist weiters die Patronin des Bergbaus und der Bergleute, aber auch der Architekten und Goldschmiede.

In diesem Halbrelief ist die heilige Barbara stehend dargestellt, ihr Blick nach oben gerichtet. Auf ihrem Haupt sitzt ein Kronreif über langem, gewelltem Haupthaar. Sie hält einen Kelch in der linken Hand und hat die rechte Hand zur Brust geführt. In ihrer rechten Armbeuge ist der lange, luxuriöse Mantel mit goldener Außenseite und blauem Innenfutter eingeklemmt. Die Polychromie ist besonders gut im Inkarnat des Gesichts erhalten. Ihr ovales Gesicht zeigt kurze Augenbrauen, große und weit geöffnete runde Augen, eine kleine Nase und volle rote Lippen. Ihre Wangen sind in jugendlicher Frische gerötet, das kurze Kinn ebenso hervorgehoben. Ihr entrückter Blick in die Ferne könnte ein Zwiegespräch mit dem Herrn andeuten.

Das Relief ist stilistisch mit jenem der heiligen Barbara im Flügelaltar der Pfarrkirche Dambel, Nonsberg, von 1520 verwandt. Der Altar stellt wohl einen Import aus Süddeutschland dar, möglicherweise aus der Nähe von Memmingen. Die kantigen V-förmigen Falten unter der ausladenden Schüsselfalte sowie das geneigte Gesicht mit langem Hals sind vergleichbar. Weiters liegen Ähnlichkeiten zu Werkstattarbeiten Daniel Mauchs (Ulm um 1477 – 1540 Lüttich) vor. Mauch kommt als letztem großem Künstler der Ulmer Schule besondere Bedeutung zu. So eröffnete er ab 1503 eine eigene Werkstatt und arbeitete mit dieser an zahlreichen spätgotischen Altarprojekten. Dabei zeigen seine Werke bereits Anklänge des Übergangs von der Spätgotik zur Renaissance. Beispielsweise ein Halbrelief des heiligen Sebastian weist Parallelen in der Kopfhaltung, der scharfgratigen Draperie und der über die Armbeuge gebauschten Falte auf (Liebighaus, Frankfurt am Main, Inv.-Nr. 1374). Die Art der geschnitzten Locken sowie der liebliche Ausdruck des Gesichts der Heiligen weist auch Ähnlichkeiten zu den Skulpturen von Niklaus Weckmann (aktiv um 1481-1526 in Ulm) auf. Daher ist die stilistische Einordnung in den schwäbischen Raum eindeutig. Weiters hat die Skulptur auch eine äußerst spannende Provenienz: Laut einem alten Auktionsetikett an der Rückseite stammt sie aus der Sammlung Borghese („Vente Borghese“).  

Literatur:

Barbara Maier-Lörcher, Meisterwerke Ulmer Kunst, Ostfildern 2004.

Brigitte Reinhardt (Hrsg.), Michel Erhart & Jörg Syrlin d. Ä.: Spätgotik in Ulm, Ulm 2002.

Susanne Wagini, Der Ulmer Bildschnitzer Daniel Mauch (1477–1540), Forschungen zur Geschichte der Stadt Ulm (Band 24), Ulm 1995.

LINKS:

https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Daniel_Mauch?uselang=de#/media/File:Daniel_Mauch_(Werkstatt)_Hl_Sebastian_Liebieghaus_1374.jpg  https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Niklaus_Weckmann_%28Werkstatt%29_Anbetung_der_Hirten_1523-24-2.jpg