MADONNA


Schwäbisch
Um 1515/20

Zugeschrieben der Werkstatt von
Tilmann Riemenschneider
Heiligenstadt um 1460 - 1531 Würzburg

Lindenholz geschnitzt
Höhe 38 cm

Diese Madonnenfigur ist ein prächtiges Werk vom Übergang der Spätgotik zur Renaissance aus der Werkstatt des Tilman Riemenschneider. Der Bildhauermeister absolvierte seine Studien im Bildhauerhandwerk vermutlich in Straßburg und Ulm, wodurch er bestimmte Stilmerkmale, die bei Vertretern der Ulmer Schule wie Niklaus Weckmann und Michel Erhart große Ausprägung fanden, in sein Repertoire aufnahm. Die meiste Zeit seines bildschnitzerischen Schaffens war er in Würzburg tätig, wo er auch für die bürgerliche Gesellschaft, vor allem aber für den Klerus zahlreiche Auftragsarbeiten im sakralen Kontext anfertigte. Diese Madonna könnte in einem dieser Kontexte von seiner Werkstatt geschaffen worden sein. Zusätzlich ist die Figur holzsichtig; es liegt daher nahe, dass diese Madonna ursprünglich bereits ohne Polychromie konzipiert wurde. Riemenschneiders Oeuvre zeichnet sich durch eine Vielzahl an holzsichtigen Werken aus, welche eine hohe bildhauerische Ausführung der einzelnen Skulpturen zeigen. 

Maria trägt einen Kronreif auf ihrem langen wallenden Haar, welches mit einem Stichel gekerbt ist. Die dicht aufgefächerte Haarpracht hebt den gelängten Hals mit dem ovalen Gesicht kunstvoll hervor. Ihr ausdrucksstarkes Antlitz wird definiert von kurzen, scharfen Augenbrauengraten über mandelförmigen Augen sowie einem Schmollmund unter einer geraden Nase. Typische Merkmale Riemenschneiderscher Figuren sind außerdem ein angedeutetes Doppelkinn und eine naturalistisch-faltige, schattierte Halspartie. Maria präsentiert ihr Kind in Schräglage: Es hat einen runden Kopf gesäumt von dichten Locken und seine Arme und Beine sind spielerisch angewinkelt. Mit der linken Hand scheint sich das Jesuskind am Mantel seiner Mutter festzuhalten, wobei dieser Gestus seitens des Kindes eine engere Beziehung zwischen beiden herstellt.

Maria steht in gerader Haltung, nach vorne blickend, auf einer Mondsichel. Der Sichelmond ist mit jenem der Sandsteinmadonna im ehemaligen Kollegiatstift Neumünster in Würzburg von 1493 vergleichbar. Besonders charakteristisch für den Bildhauer Riemenschneider ist der reiche Faltenwurf: Der nur locker übergeworfene Mantel mit umgeschlagener Schüsselfalte nimmt die Lagerung des Kindes auf. Komplexe eckige Falten, besonders die Zickzackfalten innerhalb der Schüsselfalte und die geknickte Dreiecksfalte über dem Knie des Spielbeins, sind charakteristisch für seine Werke, beispielsweise bei der heiligen Elisabeth v. Thüringen um 1510 (Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg, Inv.-Nr. Pl.O.2413). Weiters sind die geradlinig verlaufenden, röhrenartig-geöffneten Faltenkanten häufig in den Skulpturen des Würzburger Meisters zu sehen. Diese gehen in Diagonalfalten über, welche den Blick der Betrachter nach unten lenken, auf das unter dem Mantel hervortretende Knie des Spielbeins. Der aufgeworfene Saum über der Mondsichel gibt den Blick auf den hervorlugenden Schuh eben dieses Spielbeins frei. Dies betont die dynamische Wirkung des schrägen Stands, untermalt von den Rundungen des schweren Mantels.  

Literatur:

Michael Baxandall, Die Kunst der Bildschnitzer. Tilman Riemenschneider, Veit Stoß und ihre Zeitgenossen, München 1984.

Claudia Lichte (Hrsg.), Tilman Riemenschneider, Werke seiner Blütezeit, Regensburg 2004.

LINKS:

https://austria-forum.org/af/Geography/Europe/Germany/Pictures/Bamberg_1/Wuerzburg_-_Neumuenster-_Madonna_of_sandstone_carved_by_Tilman_Riemenschneider

https://objektkatalog.gnm.de/wisski/navigate/55071/view