HEILIGER HIERONYMUS


Heiliger Hieronymus
Utrecht
Um 1500/20

Kalkstein
Reste der originalen Polychromie
Höhe 45 cm

Der Mann mit dem heiligen Namen!

Jeder kennt den Hl. Hieronymus (347 Stridon, Kroation – 420 Bethlehem), einen der wichtigsten Kirchenväter der Antike. Dass Hieronymus „Heiliger Name“ bedeutet und er einer der produktivsten Autoren der Spätantike war, ist kaum bekannt. Seine Biographie liest sich wie eine spannende Erzählung.

Hieronymus ist einer der fesselndsten Persönlichkeiten des christlichen Altertums. Er besaß eine fast krankhafte Empfindsamkeit, ein liebendes und leidenschaftliches Herz, war eifersüchtig, argwöhnisch, erregbar, rachsüchtig und maßlos in seiner Polemik. Aber er war auch leidenschaftlich in seiner Liebe zur Kirche und in der Verteidigung der katholischen Wahrheit. Er vereinigte in sich den Asketen und Gelehrten. Mit Augustinus ist Hieronymus der gelehrteste der lateinischen Kirchenväter.

Neben seiner grammatischen und rhetorischen Bildung besaß Hieronymus eine für jene Zeit einmalige Sprachkenntnis (Lateinisch, Griechisch, Hebräisch) sowie geographisches, archäologisches und literarisches Wissen. Er hatte den Wert von Urtexten erkannt und seine Leistung als Übersetzer ist außerordentlich. Sein Hauptverdienst für die Kirche bleibt die Schöpfung der Vulgata (lateinische Übersetzung der Bibel). Sein Einfluß auf die Kultur des Mittelalters war tief und dauerhaft.

Er ist Patron von:

Kroatien, Dalmatien und Lyon,

der Schüler, Studenten, Lehrer, Gelehrten, Theologen, Übersetzer, Korrektoren,

der theologischen Fakultäten, wissenschaftlichen Vereinigungen, Bibelgesellschaften und Asketen, aber auch gegen Augenleiden.

Die Darstellungen des Hieronymus sind auch heute noch sehr begehrt. Zweidimensional als Gemälde sind diese im 15. und 16. Jahrhundert häufiger zu finden. Als dreidimensionale Skulptur sehr selten! Diese außergewöhnliche Plastik des Hl. Hieronymus überzeugt durch eine hohe künstlerische Qualität. Sie wurde von einem Meister in Kalkstein ausgeführt und Reste der Polychromie sind noch vorhanden.

Der Heilige ist stehend, mit einem geschwungenen Spruchband in den Händen haltend, dargestellt. Er blickt entrückt und in Gedanken versunken nach vorne, links am Betrachter vorbei. Die schwere Kopfbedeckung, eine Art aufgekrempelter Kardinalshut, lässt nur das Gesicht frei und betont den nachdenklichen Ausdruck des Hieronymus. Die Enden des Hutes sind naturalistisch um den Kopf und den Oberkörper drapiert. Weiters trägt der Heilige einen vor der Brust zugeknöpften Mantel über einem wohl ursprünglich versilberten Habit. Zu seinen Füßen sitzt ein drolliger Löwe. Der Legende nach zog der Heilige diesem Löwen einen Dorn aus der Tatze, wonach dieser an seiner Seite blieb. Daher wird das Tier gerne als Attribut des Hieronymus gezeigt. Die Banderole rahmt den Löwen, welcher mit den Betrachtern interagiert und sie geradewegs anblickt. Sein dichtes langes Haar ist typisch für die Zeit. Die Löwendarstellung ist stilistisch vergleichbar mit dem Schlussstein des Markuslöwen von 1497, der Jan Eerstenszoon van Schayck (ca. 1470-1527) aus Utrecht zugeschrieben wird (Victoria and Albert Museum, London, Inv.-Nr. A.15-1945).   

Der Zustand ist sehr gut und dem Alter entsprechend museal. Derart großartige Werke sind heute besondere Raritäten und kaum zu finden.

Literatur:

Dagmar Preising und Michael Rief, Mittelalterliche Bildwerke aus Utrecht 1430-1530, Utrecht/Aachen 2012.

LINKS:

https://collections.vam.ac.uk/item/O71502/the-lion-of-st-mark-roundel-schayck-jan-van/